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In der Gegenwartskunst ist nach einer Phase der Figuration erneut eine Beschäftigung mit dem Gegenstandslosem zu bemerken. Die Ausstellung soll einen ausschnitthaften Einblick in die „Neue Abstraktion“ geben. Ausgangspunkt ist eine gestische und prozesshafte Malerei, die ohne planbaren Vorgang entstehen kann. Eine Malerei, die den Zufall als strukturbildendes Element anerkennt und zudem aus dem Unbewußten schöpft. Die Wurzeln dieser künstlerischen Strategien liegen im Informel der 50er Jahre. Diese nach dem 2. Weltkrieg aufkommende Kunstrichtung schuf einen Neubeginn der Malerei. Sowohl die Distanzierung von der Propagandakunst der Nationalsozialisten als auch vom Sozialistischen Realismus waren wichtige Einflußgrößen ihrer Entstehung. Mit der Ausstellung soll der Frage nachgegangen werden, was die zeitgenössischen Künstler zum Schaffen „formloser“ Malerei antreibt, da die ursprünglich politisch und ideologisch motivierten Gründe heute obsolet geworden sind. Die Ausstellung versammelt 5 aktuelle Positionen, die unterschiedliche malerische Ansätze vertreten. Während einige Künstler direkt am historischen Informel anknüpfen, experimentieren andere mit neuen Materialien, transferieren die Charakteristiken des Informel ins Dreidimensionale oder betreiben eine diskursive Befragung der historischen Stile.

Die Künstlerin Shila Khatami (*1976) bedient sich der kunstgeschichtlichen Ismen. Sie greift das Formenvokabular des Informel, des Abstrakten Expressionismus und des Konstruktivismus auf, um die Absolutheit eines einzigen Stiles in Frage zu stellen. In ihren Bildern wird ein Kampf zwischen expressivem Malgestus und geometrischer Abstraktion ausgefochten, der unentschieden ausgeht. Dynamische, intuitive Pinselstriche treffen auf kontrollierte geometrische Formen. Mit witzigen und ironischen, aus alltäglichen Beobachtungen stammenden Titeln weisen ihre Werke über eine bloße Ästhetik des l’Art pour l’Art hinaus.

Der Maler Ralf Dereich (*1976) dagegen setzt ausschließlich auf die Wirkungskraft einer gegenstandslosen Malerei in der Tradition des Informel.  Die geschwungene, rhythmische Linie prägt seine in Öl gemalten Bilder. Eine reduzierte Farbpalette von meist cremigen und lehmigen oder auch pastellenen Tönen lenkt die Konzentration auf die Form. Die Linie schwingt und gleitet, formt sich zu assoziativen Gebilden in beinahe surrealistischer Manier. Häufig sind seine Bilder seriell angelegt. Die Vielzahl an gemalten, leichten rhythmischen Schwingungen erinnern an Jazz-Musik und können als Visualisierungen dieser Musikrichtung gelesen werden.

Auch der Künstler Hans-Peter Thomas aka Bara (*1968) reiht sich mit einem Teil seines Werkes in die Tradition des Informel. Gestische Abstraktion ist bei ihm keine absolute Größe, sondern nur eine Möglichkeit von vielen. So hat er sich in seinem Werk auch mit dem „Grid“, dem Raster als Setzung in der modernen Kunst auseinandergesetzt, aber auch plastische Arbeiten hergestellt. Seine großformatigen und monumentalen „Monochromes“ zeigen einen wüsten und schnell aufgesetzten Pinselstrich, ohne Komposition und Kontrolle. Der anarchisch anmutende Gestus kann als ironische Brechung des geschichtsträchtigen und historischen Informel gelesen werden.

Ästhetisch ganz nah am Informel, jedoch gleichzeitig ebenso nah an den Naturwissenschaften, orientiert sich die Kunst von Daniel Lergon (*1978). Der Künstler beschäftigt sich mit naturwissenschaftlichen Phänomenen des Lichts und des Materials, die visuell als Abstraktionen sichtbar gemacht werden. In der Ausstellung sind zwei Papierarbeiten zu sehen, auf denen Kupfer und Eisen sparsam im informellen Gestus aufgetragen sind. Die Farbpigmente stehen für elementare Bodenschätze der Natur, die für die Menschheit unverzichtbar geworden sind.

Myriam Holme (*1971) erweitert mit einer ungewöhnlichen Materialwahl die Prinzipien des Informel ins Dreidimensionale. Oftmals verwendet sie Bildträger aus Aluminium, die in unregelmäßiger Faltung an der Wand ein Relief bilden, oder auf dem Boden liegend als Plastik verstanden werden wollen. Bei den Arbeiten der Künstlerin spielen die Begriffe Prozeß und Zufall eine besondere Bedeutung. Der Verlauf des Farbauftrages aus Lack, Acrylfarbe und Beize ist nicht vorhersehbar, das Endergebnis nicht planbar. So bilden sich ästhetisch reizvolle Strukturen in warmen, angenehmen Farbtönen, die zu poetischen Bildfindungen führen. Die Titel sind meist Wortneuschöpfungen mit assoziativen Potenzial aus Märchen und Mythen.


Kuratorin: Dr. Silke Immenga

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