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Eigentlich kann man dem erweiterten Raum rund um die rheinische Tiefebene - die so genannte "Aachen-Jülicher Börde" - aus dem der in Köln lebende Künstler Thomas Arnolds (*1975 in Geilenkirchen) kommt, nur schwer den Status einer Landschaft in üblicher Lesart zuschreiben. Eher ist dies eine Gegend, wenn man sich zu dieser etwas tumben Unterscheidung hinreißen lässt, die das wüstenhafte dieser vollständig kultivierten Landschaft unterstreicht: jedes Gramm Natur scheint einmal umgedreht zu sein, es ist ein karstiges Areal mit weiten Blickperspektiven, die entweder mit dampfenden Kühlwasserturmschloten von Kraftwerken, künstlich aufgeschütteten Bergen oder herausragenden Baggerarmen enden, deren Stahlkörper in einem gewaltigen Braunkohltagebau zugange sind, dazwischen akribisch abgegrenzter landwirtschaftlicher Anbau, Rüben, aber auch Mais, hier und da ein künstliches Wäldchen oder ein Bäumchen.

Aus einer ähnlichen, auf der anderen Rheinseite gelegenen Gegend stammend, wo die Kühlwasserwolken und der Eifelrand den Blickhorizont bilden, erlaube ich mir solcherlei Vergleiche und bin mir um die noch stets sanktionierte Verführungskraft des Biografischen bewusst - das aber längst eine berechtigte Renaissance erfährt, sind doch alle Vorstellungen von modernistischem Purismus und medialer Reinheit passé: anstelle dessen drängen an allen Ecken und Enden des westlich-musealen Kanons künstlerische Praxen ins Zentrum, an denen sich das Primat eines individuellen Lebens von Künstler/innen gegenüber wie auch immer gearteten akademisch eingefärbten Programmen ablesen lässt. Und dies gilt für außereuropäische Räume, einstige Peripherien unserer Perspektive auf Kunstgeschichte, in gleichem Maße wie für die Kölner Bucht, die zugleich als Peripherie im Zentrum beschreibbar wäre.  

Nachdem Thomas Arnolds in der klösterlichen Diözese für Kirchenrestaurierung Aachen eine Ausbildung zum Steinmetz genossen hat, widmete er sich einem Malereistudium bei Walter Dahn in Braunschweig. In einer zum Verständnis seiner Arbeit referenziellen Serie hat der Künstler die Grundfarben Rot, Gelb und Blau - einen malerischen Nullpunkt des Modernismus - mit Perspektivsichten aus seinem damaligen Wohn-Atelier verschliffen, in denen seine Küche - der Ort, an dem die einzelnen Zutaten zusammen kommen, das Gericht bereitet wird - immer sichtbar ist. Die Abarbeitung an den Parametern des malerischen Mediums - Farbe, Figuration versus Abstraktion, Fläche versus Materie, Bild versus Raum - wird bei Arnolds immer vom Aller-Alltäglichsten heraus gedacht, wodurch er religiös grundierte Bildprogramme und vor allem die ihnen zugrunde liegenden malerischen und bildhauerischen Techniken ebenso wie Akademismen anderer Art affirmativ anerkennend wie pragmatisch zweifelnd zu integrieren vermag.

In der neuen und zum Anlass dieser Ausstellung erstmals präsentierten Serie zeigen sich eingebettet in weitestgehend monochrome, im Farbauftrag von pastos bis glatt variablen Bildflächen, durch Wuchsdrähte dirigierte Bonsai-artige Artefakte, die von Säulenfüßen - schon früher eingesetzten Bildkonstruktionselementen - ebenso abgegrenzt werden wie durch weitere Bildfindungen und -zitate aus früheren Werken. Nach den Interieurs bildet sich in Arnolds' spiralförmig ausfaltendem, stets auf die eigenen Errungenschaften zurückfallendem Bildkosmos ein neuerliches Genre heraus, welches nun an Landschaftsmalereien denken lässt, die auch das eigene Oeuvre als eine Landschaft beschreiben. Die schrundige Eleganz dieser Werke weist auf das gängige Topos einer vollständig domestizierten Natur im digitalen Zeitalter hin und setzt dieser Diskurs-Melancholie eine bestechende Unmittelbarkeit entgegen - eine Wirkästhetik, die seinem Werk sowieso ureigen ist.

Der Einsatz des Bonsaimotives, welches den natürlichen Willen der wuchernden Materie mit kultureller Kontrolle konfrontiert, ist in der Kombination mit dem Säulenfuß, der als Paradigma für Bildarchitekturen jeder Art steht, auch weitergehend nicht dem Zufall geschuldet. Denn welches Medium, wenn nicht die Malerei mit ihrer zentnerschweren Tradition, zwingt den Künstler einerseits zu anarchischem Kontrollverlust und andererseits zur beständigen Reflexion ihrer Geschichte, um so etwas wie Innovation garantieren zu können. Wenn der gelernte Bildhauer Arnolds die Malerei als einen physischen wie mentalen Ort der Konfrontation, als eine kulturelle Kategorien nivellierende Gegend - einen Schlamm subjektiver Widerstände - beschreibt, dann hat er nun den Fuß vor die Tür gesetzt und schaut wieder einmal zuhause vorbei.

Martin Germann

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Strictly speaking, the wider area around the Rhenish lowlands - the so-called "Aachen-Jülicher Börde", where the Cologne-based artist Thomas Arnolds (born 1975 in Geilenkirchen) hails from - can hardly be called a landscape in the common understanding of the word. It is rather an area - if one felt the urge to make this somewhat pointless distinction, which underlines the desert-like character of this thoroughly cultivated landscape: every gram of nature seems to have been overturned at least once, it is a karstic terrain with wide perspectives onto steaming cooling towers of power plants, spoil tips and protruding excavator arms, whose steel bodies are busy mining a huge open coalpit, interspersed with meticulously delineated fields of beetroot, but also corn, and the occasional artificial grove or small tree.

As someone coming from a similar area located on the other side of the Rhine, where the cooling-water clouds and the edges of the Eifel form the horizon, I feel entitled to draw such comparisons, although I am aware of the still prevalent power of seduction of the biography - which, to be fair, has long been the subject of a legitimate renaissance, as all conceptions of modernist purism and media purity are passé: instead, up and down the western museum canon, artistic practices are pushing to the fore that testify to the primacy of the artists' individual lives over any kind of academically tinged programmes. And this applies to non-European spaces - the former peripheries of our outlook on art history - to the same extent as to the Bay of Cologne, which could equally be described as a periphery within the centre.

After completing his apprenticeship as a stonemason in the monastic Diocese for Church Restoration in Aachen, Arnolds studied painting with Walter Dahn in Braunschweig. In a series that holds the key to an understanding of his work, the artist combines the elementary colours red, yellow and blue - the painterly ground zero of modernism - with perspective views from his former home studio, in which his kitchen - the place where the individual ingredients come together, where the meal is prepared - is always visible. Arnolds always works with the parameters of painting - colour, figuration versus abstraction, surface versus matter, image versus space - from within the banality of the everyday, which enables him to integrate religiously tainted iconography,  particularly the painting and sculpting techniques underpinning it, in the same affirmative-appreciative and pragmatic-doubting manner as other kinds of academicisms.

His new series, here presented for the first time, shows bonsai-like artefacts whose growth is guided by wires, embedded in largely monochrome, pastose to smooth surfaces delimited by column bases - a pictorial element used in previous paintings - as well as by other pictorial elements, both new and borrowed from earlier works. Beyond these interiors, Arnolds's imagery, which unfurls in spirals and continually falls back on its own pictorial findings, gives rise to a new genre reminiscent of landscape paintings, which also define his entire oeuvre as a landscape. The rugged elegance of these works points to the prevalent topos of a fully domesticated nature in the digital age and confronts this discursive melancholy with a captivating immediacy - an effectual aesthetic that is in fact inherent in all of his work.

Similarly, the use of the Bonsai motive, which confronts the natural will of proliferating matter with cultural control, in combination with the column base, which stands for pictorial architectures of every kind, is hardly a coincidence. For what medium, if not painting with its centennial tradition, forces the artist to accept an anarchic loss of control and simultaneously reflect on its history in order to guarantee something like innovation When Arnolds, the trained sculptor, describes painting as a physical and mental place of confrontation, as an area where cultural categories are levelled out - a sludge of subjective resistance - we can safely assume that he has stepped out of the door and is once again looking in on his home.

Martin Germann

Translation: Patrick (Boris) Kremer

 

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